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Auf Majestätsbeleidigung, Landesverrat, Tötungs- oder schwere Eigen- tumsdelikte konnte im 16. bis 18. Jahrhundert die Todesstrafe stehen. Die Hinrichtungsarten reduzierten sich von Verbrennen, Rädern, Hängen, Vierteilen, Schwert, mit Schärfungsmöglichkeiten durch „Schleifen“ oder „Greiffen mit glüende Zangen“ ab der königlichen Verordnung vom 3. August 1854 auf die Guillotine.
Am 24. August 1854 fand in Amberg die erste Hinrichtung in der Oberpfalz mit dem Fallschwert statt. Drei Mörderkomplizen stellten sich einem seit über vierzig Jahren nicht mehr stattgefundenen öffentlichen blutigen Schauspiel. Vor der Fronfeste hatte man eine Tribüne aufgebaut, von welcher um 5 Uhr früh der Gerichtsschreiber für die auf dem Paradeplatz gespannt wartende Menschenmenge das Urteil verlas. Daraufhin wurde der Stab gebrochen. Jeder Delinquent kam auf einen eigenen Wagen und der Zug setzte sich in Bewegung. Es begleiteten sie je ein Geistlicher, ein Gehilfe des Amberger Scharfrichters Scheller, eine Eskorte von Bürgerkavallerie und eine der Linien-Infanterie des Amberger Regiments. „Das Schafott war außerhalb der Stadt, am Fuße des sogenannten Galgenberges, etwa 30 Schritte rechts von der nach Bayreuth führenden Poststraße. Eine ungeheure Menschenmenge aus nah und fern hatte sich eingefunden und dasselbe umlagert.“ Um 5 Uhr 30 fiel das erste Haupt, die anderen folgten in kurzen Abständen. (53)
Die touristische Beliebtheit dieser Ereignisse ließ unzählige Sensationshungrige von weither schon Tage zuvor anreisen, so dass die Ordnungspolizei mit einem erhöhten Sicherheitsaufgebot reagieren musste.
Damit war es schlagartig vorbei, als das neue Strafgesetzbuch für das Königreich Bayern 1862 in Kraft trat. Hier wurde festgelegt, dass die Todesstrafe „mittels Enthauptung in Gegenwart einer Gerichtskommission und eines Beamten der Staatsanwaltschaft in einem geschlossenen Raume vollzogen“ werden muss, „welcher den freien Einblick nicht gewährt.“ (54) Dafür stockte man die den Hof begrenzende Zwingermauer um mehrere Steinreihen auf. Doch das nutzte nicht viel. Die Neugierigen zogen sich außen an der Mauer hoch, kletterten auf die im Stadtgraben wachsenden Bäume oder drängelten sich auf der oberhalb vorbeiführenden Allee. Das Schauspiel ihres Interesses lief vorschriftsmäßig so ab: 24 Vertreter des Ortsvorstandes oder andere achtbare Bürger fungierten als Urkundspersonen, ein oder
zwei Geistliche der Konfession des Verurteilten und sein Verteidiger hatten ebenfalls Zutritt. Er konnte auch noch anderen Personen gestattet werden. Dank dieser Bestimmung und dank der Pressevertreter erhielt die Öffentlichkeit sehr detaillierte Beschreibungen und war damit nicht wirklich ausgeschlossen. Schlussendlich wurde der Vollzug der Todesstrafe „durch das Läuten einer Glocke angekündigt, welches bis zum Schlusse der Hinrichtung anzudauern hat.“ (54) Eine Hinrichtung durfte zwar nicht mehr mit den Augen, musste aber - ob die Umgebung wollte oder nicht - mit den Ohren verfolgt werden!
Die erste Enthauptung nach Inkrafttreten dieses Gesetzes, die des Michael Neumann Ende 1863, wurde – vermutlich als einzige – auf dem Gelände der heutigen Justizvollzugsanstalt getätigt. Ab 1879 sind 15 Hinrichtungen im Hof der Fronfeste bekannt:
Am 31. Januar 1884 die des Gütlers Michael Reitner von Kemnath[en], der seine Frau im Wochenbett vergiftete; am 2. Juli 1887 die des Steinbrechers Anton Riedl von Hienheim, der in Irnfing einen Raubmord an einem sechzehnjährigen Mädchen begangen hatte, am 6. September 1890 die des Häuslers Michael Schieber von Pondorf, der seinen fünfjährigen Stiefsohn und dessen Großvater erschossen hatte, um sich Vermögensvorteile zu verschaffen; am 3. August 1893 wurde der Bader Karl Guttenberter aus Dietkirchen, der eine Bluttat im dortigen Schulhaus verübt hatte, hingerichtet und am 2. Mai 1895 der Vatermörder Johann Spichtinger aus Rohr. (55) Danach kamen noch hinzu die Enthauptungen des 44-jährigen Bauers Wagner von Witzlricht am 16. November 1895, jeweils eine am 11. September 1896, 7. Mai 1897, 6. März 1903, 13. April 1904, 20. Dezember 1911, 5. Juni 1918, 5. Februar 1921, 30. November 1922 und schließlich die Hinrichtung des Daberger Raubmörders, des 25-jährigen Ludwig W. am 18. September 1935. (56)
Johann Baptist Reichhart war der letzte bayerische Scharfrichter. Für diese letzte Hinrichtung in Amberg berechnete er der Staatsanwaltschaft für Spesen, Übernachtungs- und Tagegelder sowie für das Pauschalentgelt seiner beiden Gehilfen und seines Chauffeurs eine Summe von genau 299,20 Reichsmark. Der Henker selbst, hauptberuflich ein Münchener Fuhrunternehmer, erhielt darüber hinaus eine monatliche Zuwendung über zuletzt rund 300 Mark. (57) Seit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland im Mai 1949 gehört die Todesstrafe bei uns der Vergangenheit an.
Die Zelle Nr. 10 gibt Anlass zu Spekulationen. Als einzige wird sie durch ein absperrbares Gitter geteilt, an dem im Urzustand noch Hand und Fußschellen angeschmiedet waren. Sie besitzt kein Fenster nach Außen, ihre Belichtung ist durch ein Oberlicht auf den Gang hinaus mittels Fensterläden regulierbar.
Gegen eine Verwendung als Todeszelle sprechen viele Argumente. Zum einen findet sich der Begriff in keinem einzigen der erwähnten maßgeblichen Strafgesetzwerke des 17. bis 19. Jahrhunderts. Zum andern geht aus den Protokollen des 19. Jahrhunderts hervor, dass Todeskandidaten nach der Urteilseröffnung in ihre Zelle zurückgebracht wurden, in Nr. 29 beispielsweise. Außerdem war man im Allgemeinen darauf bedacht, dass der Gefangene „[…] ohne Gefahr seines Lebens und Gesundheit darinnen bleiben könnt […]“ (58) Das Gefängnis sollte nicht zur „Pein und Marter, sondern zur Verwahr“ dienen, was die Obrigkeit zu kontrollieren hatte. Auch der Dienst von Ärzten und Geistlichen war erwünscht. (59) Doch die wichtigste Regelung im Umgang mit Todeskandidaten dürfte die folgende sein: Im 18. Jahrhundert sollte man „denen zum Tod Verurteilthen […] zur Vorbereitung und anderer Disposition wenigist einige Tage Zeit lassen; und während dieser Zeit nicht nur der Geistlichkeit den Zutritt gestatten, sondern den Malefi canten mit besserer Kost versehen, und in einem bequemeren Zimmer verwahren.“ (60)
All das widerlegt die Annahme einer Todeszelle. Doch wozu brauchte man sie wirklich? Mit Sicherheit diente sie - mindestens im 19. Jahrhundert - der Verschärfung von Arreststrafen durch Dunkelhaft. (61) Diese zusätzliche Strafe durfte allerdings nicht länger als 24 Stunden am Stück dauern und erst nach acht Tagen wiederholt werden. Dazu oder alternativ konnte die Kost auf Wasser und Brot am je dritten Tag reduziert werden.
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